Puzzlebauen statt Posterfrauen

Wie es um das Image von Feminismus steht, was der Journalismus dazu beiträgt und wie man es besser machen könnte. Eine Bestandsaufnahme mit Ausblick als Multimediacollage.

Italienerinnen sind gestikulierende Pizza-Esser, Französinnen sind rauchende Romantikerinnen, Österreicherinnen jodelnde Trachtträgerinnen- und Feministinnen? Nun, Feministinnen entstammen nicht einer Nationalität, aber ein Bild dazu wie und wer sie sind, ist dennoch in unseren Köpfen verankert. Wissenschaftliche Studien (z.B. Angela McRobbie 2009, 2015) belegen, dass der Wahrnehmung von Feminist*innen ein negatives Bild zugrunde liegt. Chimamanda Ngozi Adichie formuliert in ihrem Buch ‘We should all be feminists’ etwa: “It seems to me that the word feminist, and the idea of feminism itself, is also limited by stereotypes”. Ob nun zuerst das Stereotyp über Feministinnen, Journalistinnen oder Frauen generell existierte, ist vergleichbar mit der der Frage nach der Henne und dem Ei. Eine zusätzlich zu klärende Frage: Welches Image der Feminist*innen kommt durch Journalismus zutage und wie ist diesbezüglich die österreichische Lage?

„Ich bin keine Feministin“- Zitat der österreichischen Frauenministerin

Susanne Raab (ÖVP), seit 07.01.2020 Frauenministerin Österreichs, ist keine Feministin. Sie musste, wie sie es formuliert „zum Glück“ noch nie Sexismus am Arbeitsplatz erleben und empfindet „Feminismus trennt Frauen mehr als er verbindet“. So positionierte sich die Politikerin in einem Interview mit der „Presse am Sonntag“ vom 19.01. Ihre Aussage zog eine lawinenhafte Debatte darüber, ob sich denn Frauenministerin, und in Erweiterung, sich Frau im Generellen als Feministin erkennen und bezeichnen sollte, nach sich.

Raabs Statement spiegelt eine dichotome Entwicklung der Gesellschaft wider. Während sich viele Prominente und Politiker*innen, darunter der ehemalige Präsident Barack Obama, Emma Watson und einige weitere, öffentlich als Feminist*innen bekennen, der Begriff auch in der Fashion- und Beautyindustrie Einzug gefunden hat und viral gehende Online-Kampagnen wie #metoo oder #aufschrei den öffentlichen Diskurs mitprägen, könnte man durchaus behaupten, der Feminismus hätte Einzug in den Mainstream gefunden. Gleichzeitig zeichnet sich ein Trend ab, der zeigt, dass sich aber immer weniger Menschen tatsächlich als Feminist*innen identifizieren.

Diese Erkenntnis geht auch aus einer 2019 veröffentlichten Studie des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos hervor, die in Zusammenarbeit mit dem »International Women’s Day« und dem Global Institute for Women’s Leadership« durchgeführt wurde. In 27 Ländern wurden hierfür mehr als 18.000 Personen nach ihren Einstellungen in Sachen Gleichstellung befragt. Für eine deutliche Mehrheit aller Befragten ist das Erreichen von mehr Gleichberechtigung zwar auch ein wichtiges persönliches Anliegen (65%), dennoch würde sich weltweit nur jede*r Dritte (33%) als Feminist*in bezeichnen. Gleichzeitig steigt auch der Anteil derer, die der Überzeugung sind, dass hinsichtlich der Gleichstellung von Männern und Frauen bereits „genug erreicht“ worden sei.

Doch hier widersprechen die Zahlen. Noch immer verdienen Frauen in Österreich weniger als Männer und das, obwohl sie statistisch belegt bessere Ausbildungen und höhere Abschlüsse vorweisen. Aktuell liegt die Einkommensdifferenz in Österreich, der Gender Pay Gap, im Durchschnitt bei 15,2 % (Stand 2020). Umgerechnet sind das 56 Arbeitstage, die Frauen kostenlos arbeiten, oder jedes 7. Jahr.

Feminismus -Journalismus: Zwei -ismen im Widerspruch?

Journalismus beschäftigt sich mit Feminismus, und umgekehrt. Feminismus leitet sich aus dem lateinischen Wort für Frau „femina“ und über den französischen Ausdruck „féminisme“ her. Wörter mit der Endung -ismus stellen in der deutschen Sprache Oberbegriffe für gesellschaftliche, politische und akademische Strömungen, sowie soziale Bewegungen dar. Der Duden definiert Feminismus als „Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen (z. B. der traditionellen Rollenverteilung) und der patriarchalischen Kultur anstrebt“. Auch der Journalismus hat seine Wortwurzeln aus Frankreich, er leitet sich von „journal“, der Zeitung, ab.

Journalist*innen arbeiten für Medien. Medien wirken nachhaltig auf die Bewusstseinsbildung, politische Stimmungslage, die Sichtbarkeit und Wahrnehmung verschiedenster Persönlichkeiten und Agenden in der Öffentlichkeit. Eine intakte Medienlandschaft ist ein bedeutender Bestandteil für eine funktionierende Demokratie und die Verwirklichung einer pluralen Gesellschaft. Wie und worüber Medien schreiben, was verbreitet wird und welche Menschenbilder darin gezeichnet werden, ist daher für jeden von uns von grundlegender Bedeutung. Diverse Studien von Media Affairs über die letzten Jahre hinweg zeigen in ihren Ergebnissen negative Entwicklungen teils sehr grober Schieflagen und Einseitigkeiten in der medialen Darstellung von Frauen und frauenpolitischen Themen auf.

Die mediale Inszenierung von Feminismus und seinen Vertreter*innen wird besonders in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen oftmals kritisiert. Die Sozialforscherinnen Sylvia Jaworska und Ramesh Krishnamurthy finden in ihrer Untersuchung zur Darstellung von Feminist*innen in britischen und deutschsprachigen Printmedien über 10 Jahre hinweg mehrere Problematiken: Feminismus würde als negativ, überholt, teilweise sogar als tot inszeniert werden. Von Feministen*innen würde das Bild einer radikalen linksorientierten, oftmals lesbischen, männerfeindlichen Kämpferin gezeichnet werden.

Wie es ist aber wirklich ist, Feministin zu sein, was es daran ändert, wie man von anderen wahrgenommen wird und wie sich die Rollen einer Feministin und Journalistin vereinbaren lassen, darüber und mehr wissen die deutsche Aktivistin Anne Wizorek, Mitbegründerin der Initiative #aufrschrei und Buchautorin, und Alexandra Wachter, Moderatorin, Journalistin und Reporterin bei Puls 4 bestens Bescheid. Wiederum zeigt sich, obwohl die beiden Frauen eine Passion für Feminismus teilen, dass sie seine Verwirklichung, seine Darstellung und die Aufgabe von Journalismus ihm gegenüber sehr unterschiedlich bewerten. Zwei Frauen, ein Thema, vier Augen: Welches Bild sehen sie?